Lada Nakonechna baut ihre vielteiligen Installationen und ordnet ihre Objekte auf eine bestimmte Weise so, dass sie den gesamten Raum einbeziehen, einschließlich der Besucher, die sich darin befinden. Das Interesse der Künstlerin gilt der Struktur sozialer Beziehungen, der wechselseitigen Abhängigkeit von Handeln und Betrachten, den Wahrnehmungen und Rollen der Kunst darin. Sie schafft „Räume des Möglichen“ auf dem Territorium der Kunst, in welchen sich diese Beziehungen entwickeln, zeigen oder verdeutlichen können. Ihre neue Arbeit Mobile portable model (Mobil’naya Perenosnaya Model) hat Lada Nakonechna speziell für die Galerie EIGEN + ART konzipiert. Hier rückt sie einen metallenen Turm, der Licht verbreitet in das Zentrum der Galerie. Indem er einem Leuchtturm ähnelt, führt der Turm zunächst einmal zu sich selbst. Da er aber wie ein Wachturm das umliegende Gebiet ausleuchtet, führt er unseren Blick auch von sich fort. Der Leuchtturm verweist auf einen bestimmten Ort. Dieser Ort ist ein Wunschort, eine Insel im Meer der Ungewissheit, der Hilflosigkeit und der Einsamkeit. Der Leuchtturm führt an Land, lockt geradezu, ist den Menschen selbst ein Zeichen der Hoffnung in ihrer fragmentierten und atomisierten Welt - einer Welt, in der die Angst regiert. Der Turm hingegen wirkt als Versprechen, persönliche Sicherheit gegen Gefahr zu verteidigen. In die Mitte der Galerie platziert, verweist der Turm auch auf diesen konkreten Ort, einen Ort der Stabilität. Es scheint, als sei Europa noch in der Lage, mit den Resten des Sozialstaates seinen Bürgern Gewissheit für den morgigen Tag zu garantieren und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu verleihen. Doch das Licht des Leuchtturmes fällt auf Wände, verweist unverkennbar auf Grenzen, die Zweifel an der Legitimität des Zentrums wecken: Handelt es sich bei ihm nicht doch nur um einen eingebildeten, konstruierten und gehegten Wunsch von denjenigen, die ihn in diesem Zentrum platziert haben? Der Leuchtturm besetzt das Zentrum. Außer Träumen und Hoffnungen gibt es hier nichts. Unsere aus der Angst geborene Kritiklosigkeit macht uns zu Gefangenen der vier Wände, wir sitzen in der von uns selbst geschaffenen Falle. Es scheint, als ob dem Betrachter nichts bleibt, außer der Logik des Systems zu folgen. Doch gleichzeitig ist er nicht gewillt, sich diesem unterzuordnen. Ohne Menschen in der Umgebung wird die Konstruktion in der Galerie sinnlos. Es bleibt dann einfach ein Satz metallener Gegenstände. Selbst der Mechanismus, der in der Arbeit steckt, kommt durch den Menschen. Die Ideen, auf welchen sich soziale Beziehungen gründen, dienen der Unterdrückung und der Ausbeutung. Solange die Rollenverteilung vorherbestimmt ist, diktiert das Zentrum seine Regeln, und die Grenzen bestimmen so deutlich die Beziehungen, solange dein Schicksal davon abhängt, auf welcher Seite der Grenze du dich befindest. Lada Nakonechna zieht vergleichende Parallelen zwischen einem unterschiedlichen Verständnis von Grenzen, Zentrum und Blickwinkeln, jeweils in Abhängigkeit von ihrem spezifischen Kontext. Sie stellt die Frage: Wie können Mechanismen, Instrumente, Methoden, die in der Kunst angewandt werden, uns helfen, ein System sozialer Beziehungen zu verstehen? In der Kunst gibt es die Vorstellung von einem stabilen Zentrum und einer davon abhängigen Peripherie nicht, Kunst bindet sich an keine grundlegende, ausschließliche Sichtweise als Regel. Jede künstlerische Einheit vertritt ihre selbstbestimmte Perspektive, die dabei ihrerseits die Pluralität von Positionen und Perspektiven berücksichtigt. Die Kunst hat eine lange Geschichte darin, ihre Grenzen auszuweiten. Und jetzt, da die Kunst, wie es scheint, alle Sphären des Lebens durchdringt, gewinnt die Arbeit mit Grenzen einen anderen Charakter. Das Ziehen von Grenzen und setzen von Zentren als methodische Annahme erlaubt uns, Kenntnisse auszublenden, sich auf irgendein bestimmtes Gebiet zu konzentrieren oder einen Konflikt darin zu provozieren, um die sich darin ergebenden Beziehungen aufzuzeigen. Man kann aber auch zum Beispiel auf andere Sichtweisen stoßen, indem man sich aus einer Grenzsituation löst. Das Instrumentarium, das die Kunst entwickelt und ihre Kompetenz, können nicht auf irgendein anderes Gebiet verlegt werden, ein solcher Gedanke liegt außerhalb des gesetzten Rahmens und Verständnisses und verweigert sich den unkritisch von soziokulturellen Instituten erzeugten Schablonen. Die Produktionsmittel intellektueller Arbeit sind unveräußerlich und müssen vom Dienst an polizeilichen Zielen befreit werden. Das emanzipatorische Potenzial, das die Kunst birgt, das sich nicht dem allgemeinen System des Wettbewerbs und des freien Marktes unterwirft, kann als Ausweg aus dem geschlossenen Kreis der immer subjektobjektischen Machtbeziehungen genutzt werden, wo der Ausgebeutete versucht, den Platz des Ausbeuters einzunehmen. Wir reden von einer neuen Art Beziehung, die außerhalb des üblichen Systems der Unterwerfung wächst, die aber kein Zentrum und keine Peripherie hat. |